Du kennst das vielleicht: Du gibst dir Mühe, isst gesund, bewegst dich mehr, siehst erste Fortschritte – und plötzlich steht dein Gewicht still. Wochenlang. Oder du nimmst sogar wieder zu, obwohl du „alles richtig machst“. Frustrierend. Genau hier setzt die Set-Point-Theorie an – sie erklärt, warum dein Körper beim Abnehmen scheinbar auf die Bremse tritt.
In diesem Artikel erfährst du, was es mit der Set-Point-Theorie auf sich hat, wie realistisch sie ist, ob du deinen Set-Point verändern kannst – und was du tun kannst, um trotzdem gesund und nachhaltig abzunehmen.
Was ist der Set-Point eigentlich?
Die Set-Point-Theorie (auch „Gewichtsregulationspunkt“) geht davon aus, dass jeder Mensch ein genetisch oder biochemisch festgelegtes Körpergewicht hat, das der Körper langfristig verteidigt – vergleichbar mit einem Thermostat. Sinkt das Gewicht unter diesen Wert, reagiert der Körper mit Anpassungen:
- Der Energieverbrauch wird gesenkt (Stoffwechsel bremst)
- Der Hunger steigt, das Sättigungsgefühl nimmt ab
- Der Bewegungsdrang kann sinken
Diese Reaktion ist evolutionär sinnvoll: Der Körper schützt sich vor „vermeintlicher“ Hungersnot. In Zeiten des Überflusses wird dieses Schutzprogramm aber zur Hürde für viele Menschen, die abnehmen wollen.
Was spricht für die Set-Point-Theorie?
Es gibt zahlreiche Beobachtungen und Studien, die die Theorie unterstützen. Menschen neigen dazu, nach Diäten wieder auf ihr Ausgangsgewicht zurückzufallen – selbst nach Monaten oder Jahren. Der Körper scheint gegenzusteuern, sobald ein bestimmter Bereich verlassen wird.
Auch Experimente mit künstlich zugeführter Gewichtszunahme zeigen: Wird Menschen über Wochen übermäßig viel Essen zugeführt, nehmen sie zwar zu – verlieren das zusätzliche Gewicht aber nach der Überfütterungsphase oft wieder automatisch, ohne bewusst einzugreifen.
Umgekehrt fällt es stark Übergewichtigen oft schwer, ihr Gewicht dauerhaft zu senken – obwohl sie sehr diszipliniert sind. Das spricht dafür, dass der Körper aktiv versucht, ein bestimmtes Gewicht zu halten.
Ist der Set-Point wirklich unveränderlich?
Die klassische Set-Point-Theorie geht von einem festen Gewicht aus. Doch neuere Ansätze – wie die Settling-Point-Theorie – gehen davon aus, dass der Körper sich an einen Bereich „anpasst“, der durch Verhalten, Umwelt, Lebensstil und Ernährung beeinflusst werden kann. Das bedeutet: Dein Set-Point ist veränderbar – aber nur langsam und unter bestimmten Bedingungen.
Das erklärt auch, warum viele Menschen zunächst schnell abnehmen, dann in ein Plateau geraten – und erst mit sehr viel Geduld und Kontinuität weitere Fortschritte machen. Der Körper „gewöhnt“ sich an ein neues Gleichgewicht, wenn man ihm Zeit gibt und ihn nicht überfordert.
Wie äußert sich der Set-Point in der Praxis?
Menschen, die an ihrem Set-Point angekommen sind, erleben oft Folgendes:
- Die Gewichtsabnahme stagniert trotz Kaloriendefizit
- Die Lust auf kalorienreiche Lebensmittel steigt
- Die Motivation sinkt, das Energielevel fällt
In dieser Phase geraten viele in Zweifel: Ist Abnehmen überhaupt möglich? Arbeitet mein Körper gegen mich? Die Antwort lautet: Er passt sich an – und du kannst mit der richtigen Strategie gegensteuern.
Was du tun kannst, um deinen Set-Point zu beeinflussen
Auch wenn dein Körper ein bestimmtes Gewicht bevorzugt – er ist kein starrer Automat. Dein Stoffwechsel, deine Hormone, dein Essverhalten lassen sich mit Geduld und Strategie beeinflussen. Hier zwei entscheidende Ansätze:
- Langfristig denken: Wer langsam und stetig Gewicht verliert (z. B. 0,5 kg pro Woche), hat bessere Chancen, dass sich der Körper an einen neuen Set-Point gewöhnt. Crash-Diäten hingegen bestätigen dem Körper: „Achtung, Hungersnot!“
- Muskelmasse aufbauen: Muskeln erhöhen den Grundumsatz. Sie helfen dabei, den Energieverbrauch dauerhaft zu steigern – ein wichtiger Schlüssel, um den Set-Point zu verschieben.
Zusätzlich hilfreich:
- Ausreichend schlafen (Schlafmangel stört das Hunger- und Sättigungsgefühl)
- Stress reduzieren (Cortisol fördert Gewichtszunahme)
- Ballaststoffreiche Ernährung (für langanhaltende Sättigung und hormonelle Balance)
Warum dein Körper keine Diät, sondern Stabilität sucht
Unser Körper liebt Routinen. Er ist darauf programmiert, Veränderungen als potenzielle Gefahr zu betrachten. Deshalb reagiert er sensibel auf starke Kaloriendefizite, abrupte Änderungen beim Sport oder häufiges Auf und Ab beim Gewicht. Ziel sollte also nicht sein, ihn zu „überlisten“ – sondern, ihn neu einzustellen.
Das gelingt am besten mit:
- gleichmäßigen Mahlzeiten
- regelmäßiger Bewegung
- mentaler Stabilität
- nachhaltiger Lebensstiländerung statt kurzfristiger Diäten
Wenn du deinem Körper beibringst, dass er auch bei geringerem Gewicht sicher und stabil funktioniert, wird er sich allmählich darauf einlassen – wie ein Thermostat, das du langsam herunterregelst.
Set-Point vs. Selbstsabotage: Was ist was?
Nicht jede Stagnation liegt am Set-Point. Manchmal sabotieren wir uns auch unbewusst selbst:
- Zu wenig essen → Stoffwechsel fährt runter
- Zu viel kompensieren (z. B. durch Snacks oder „Belohnungen“)
- Zu strenge Regeln, die in Frust oder Heißhunger führen
Es lohnt sich daher, ehrlich in den Alltag zu schauen: Halte ich mein Kaloriendefizit wirklich ein? Bewege ich mich regelmäßig? Gebe ich meinem Körper ausreichend Schlaf und Nährstoffe? Oft hilft schon eine kleine Justierung, um aus der Stagnation zu kommen.
Wann du professionelle Hilfe in Betracht ziehen solltest
Wenn du trotz aller Bemühungen monatelang keine Fortschritte machst, kann es sinnvoll sein, ärztlichen oder ernährungspsychologischen Rat einzuholen. Mögliche Ursachen für hartnäckige Plateaus können sein:
- Hormonelle Störungen (z. B. Schilddrüse, Insulinresistenz, PCOS)
- Medikamente (z. B. Antidepressiva, Kortison)
- Emotionales Essen oder Stressmuster
Professionelle Unterstützung kann helfen, blinde Flecken aufzudecken – und neue Wege zu finden, um dein Ziel zu erreichen, ohne ständig gegen deinen Körper anzukämpfen.
Fazit: Dein Körper ist kein Gegner – aber er liebt Gewohnheit
Die Set-Point-Theorie zeigt: Unser Körper will uns schützen. Er reagiert auf Gewichtsveränderungen mit einem Programm, das in der Steinzeit lebensrettend war – heute aber oft lästig erscheint. Doch genau dieses Wissen ist dein Vorteil.
Wenn du verstehst, wie dein Körper funktioniert, kannst du mit ihm statt gegen ihn arbeiten. Du kannst deinem Set-Point zeigen, dass es auch mit weniger Gewicht sicher und stabil weitergeht. Nicht mit Radikaldiäten, sondern mit Geduld, System und einem gesunden Lebensstil.
Die gute Nachricht: Der Set-Point ist kein Schicksal. Er ist ein Orientierungspunkt – und du kannst ihn verschieben. Vielleicht nicht von heute auf morgen. Aber Schritt für Schritt, in deinem Tempo, mit deinem Körper an deiner Seite.